Gefühlschaos: Wie emotionale Menschen besser mit MS umgehen

Der Umgang mit einer chronischen Erkrankung bringt für die betroffene Person meist eine große Unsicherheit ins Leben.

Wie wird es mit mir weiter gehen? Was muss ich nun ändern? Wie wird mein Umfeld reagieren?

Dabei geht natürlich jeder verschieden mit der Diagnose und der Krankheit um, schon allein weil sie ja bei jedem anders ist. Unabhängig davon gibt es aber einen Schlag Mensch, der besonders sensibel auf die Krankheit reagiert:

 

Emotionale Menschen.

Ich selbst würde mich auf jeden Fall zu der Gruppe „emotionale Menschen“ zählen, auch wenn es auf den ersten Blick für viele nicht so wirkt.

Ich habe einen anstrengenden Job, ich kann ab und an ganz gut austeilen und klar meine Meinung und meine Vorstellungen kommunizieren. Es würde wohl kaum einer vermuten, was neben meinem unverbesserlichen Dickschädel noch so dahinter steckt:

Unsicherheit, Selbstzweifel, Versagensängste. Mindfuck, wie man so schön sagt.

Ich behaupte jetzt einfach mal, dass niemand komplett frei von diesen Gefühlen – aber bei manchen sind die stärker ausgeprägt als bei anderen.

Eine gesunde „Scheiß drauf“ Attitüde an den Tag zu legen, das ist einfach wirklich nicht leicht. Auch wenn alle sagen, man soll sich gewisse Dinge nicht so zu Herzen nehmen. Auch wenn das Gegenüber fünf Sekunden später schon wieder vergessen hat, was grad passiert ist. Und was ich dann zwei Tage lang immer und immer wieder durchdenke.

MS Schub erfahrungen
Picture by Erik Schütz // GoodBY

Kennst du das auch?

Emotionale Menschen, und da zähle ich mich dazu, wir sind eine kleine, sich anonym gebende Spezies, die sich nur selten traut, diesen weichen Kern ihrem Umfeld zu zeigen. Kommt dann noch eine chronische Erkrankung dazu, sind wir oft hilflos einem Auf und Ab unserer Gefühle ausgesetzt.

Hilflos? Nope. Das lass ich dir nicht durchgehen, sorry!

Hilflosigkeit komm nämlich daher, dass man nicht gezielt versucht, konstruktiv mit stressigen, belastenden und verletzenden Situationen umzugehen. Zumindest in den meisten Fällen in unserer westlichen Welt.

Es fehlt uns erstmal an nichts (außer einer einwandfreien Gesundheit, freilich). Die Grundbedürfnisse sind gedeckt: Wir haben Obdach, wir haben Essen im Kühlschrank und eine es gut meinende (und ich sage meinende, nicht unbedingt machende) Krankenversorgung.

Das ist schon mal eine ganze Menge wert.

Und es schafft ein Grundgerüst, dass es uns nicht nur erlaubt sondern auch ein wenig einfordert, dass wir privilegierten Menschen (und da zähle ich dich und mich trotz MS dazu!) und damit auseinander setzen, wie wir uns selbst helfen können, unseren Alltag besser zu gestalten.

Was ich für mich im Umgang als emotionale Personal mit MS gelernt habe, möchte ich nun also mit dir teilen. Vielleicht hilft dir ja auch die eine oder andere Methode!

 

Stress minimieren für emotionale Menschen

Sehe ich dich grad etwa die Augen verdrehen? Weil nun auch ich anfange davon zu reden, dass du dich nicht stressen lassen sollt, dass Stress Gift für Multiple Sklerose ist?

Weil du es einfach nicht ändern kannst? Glaub mir, ich verstehe dich gut.

Es mag Personen geben, die weniger emotional sind, und die ich um ihre Abgebrühtheit beneide. Vielleicht schaffen es diese Personen ja, sich knallhart für drei Wochen nach der Gabe von Cortison krankschreiben zu lassen (was ich übrigens nur empfehlen kann).

Fakt ist: Ich kann es nicht.

Es stresst mich sogar noch mehr, daran zu denken, wie ich alle auf Arbeit hängen lasse. Ich kann auch nicht einfach mal den ganzen Tag nichts aufs Handy schauen. Das ist irgendwie nicht drin, weil ich mir so einen Kopf mache, dass ich ganz verrückt werde.

Wie also kannst du als emotionale Person versuchen, dich möglichst wenig stressen zu lassen? Was mir geholfen hat:

  • Lass dein Telefon in einer Stressituation einfach mal klingeln. Du kannst in einer halben Stunde zurück rufen.
  • Versuche Stress durch Lärm zu minimieren. Notfalls einfach mit Ohropax in die Bahn setzen, wenn du mal wieder an der Oberkante bist.
  • Gib dir und deinen Kollegen/Mitmenschen realistische Ziele. „Das schaffe ich bis morgen Nachmittag“ oder „Ich komme zwischen 16 und 17 Uhr“ ist völlig okay, und besser, als wenn du dich völlig fertig wegen deiner eigenen Deadlines machst.
  • Verlasse den Raum, wenn alles zu viel wird! Einfach kurz raus, durchatmen, eine Runde dehnen. Wenn jemand fragt was los war, kannst du sagen dein Kreislauf war kurz down (wenn dein Umfeld nicht von der MS weiß).

Emotionale Menschen

Emotionale Menschen sollten genügend schlafen!

Eine Geheimwaffe, die sich für einige Personen sicherlich schwerer umsetzen lässt – ich denke da an frisch gebackene Eltern oder Menschen in Schichtarbeit.

Dennoch ist genügend Schlaf das A und O für ein dickes Fell und für emotionale Menschen! Nicht selten bin ich schon in Tränen ausgebrochen wegen Kleinigkeiten, die mich sonst kalt gelassen hätten. Und das hatte meistens mit Übermüdung zu tun!

Man kann es lernen, früher ins Bett zu gehen. Und glaub mir, einer ehemaligen Partymaus wie mir fiel das auch nicht leicht!

Aber: Du verpasst nichts, wenn du jetzt nicht noch eine Folge der Serie schaust. Oder noch schnell das und jenes aufräumst. Versuche, dich an eine feste Zeit zu gewöhnen, zu der du ins Bett gehst. Nicht immer und nicht jeden Tag, aber als Richtwert.

 

Erzähle erst dann von deiner MS, wenn du ready bist!

Und das sage ausgerechnet ich dir, als Verfechterin des offenen Umgangs mit der Krankheit.

Doch für emotionale Menschen ist ein offener Umgang mit der Krankheit besonders belastend. Es können sich daraus viele Drucksituationen ergeben.

„Werden meine Kollegen über mich lästern?“ ist da nur einer der vielen Gedanken, die einem kommen.

Insofern: Erzähl es erst deinem Umfeld, wenn du bereit dazu bist. Denn ja, man wird dich darauf ansprechen. Und ja, die Menschen werden dich bemitleiden, sie werden dir sonst was für Weisheiten erzählen – ob du sie hören willst oder nicht.

 

Übe dich im Mut zur Lücke

Willst du auch immer alles perfekt machen und bist deine größte Kritikerin? Willkommen im Club der Perfektionistinnen!

Wie lange hat es gedauert, bis ich es endlich schaffte, mal unerledigtes auf dem Schreibtisch liegen zu lassen bis zum nächsten Tag.

Wie schwer es ist, sein Umfeld um Hilfe zu bitten, wenn man etwas einfach nicht allein schafft.

Und doch: Es ist so, so wichtig, dass du deine eigenen Grenzen anerkennst und nicht verteufelst. Jeder Mensch hat Grenzen, emotionale Menschen noch mehr und wir MSler ja sowieso – insofern: Steh dazu!

Mach auch mal etwas nur zu 50%. Meistens merkt eh keiner, wenn du dich völlig für eine Sache aufopferst. Man erwartet Dank, man bekommt keinen, man ist erstrecht frustriert – oder man übt sich darin, manchmal auch einfach fünfe grade sein zu lassen.

***

Würdest du dich auch als ein emotionaler Mensch bezeichnen, oder schaffst du es ganz gut, auf die Meinung anderer und Stress zu pfeifen? Als emotionale Person, glaubst du, dass der Umgang mit MS sogar noch einen Tick schwieriger ist? Und was tust du dagegen? Teil deine Erfahrungen in der Kommentarspalte mit uns!

 

 

 

 

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