Ich sitze im Bus, die Stirn an die kalte Scheibe gepresst. Wir sind irgendwo im Hinterland von Oaxaca, einem Bundesstaat in Mexiko. Vor dem Nachthimmel heben sich immer wieder die Silhouetten von Kakteen hervor, während der Bus schaukelnd eine Kurve nach der nächsten nimmt.
Heute Nacht ist Sternschnuppenregen, und während ich meinen Blick fest auf die Milchstraße über mir richte, stieben immer wieder helle Streifen über den Himmel.
Ich kann mir was wünschen.
Und zum ersten mal in meinem ganzen Leben stelle ich fest: Ich habe gar keinen Wunsch nach Veränderung. Eigentlich wünsche ich mir einfach nur, dass alles genau so bleibt – und gut.
In diesem Moment wusste ich, dass ich über dieses Thema, über dieses Gefühl, das ich in dem Moment hatte, einen Artikel schreiben muss. Denn ich habe etwas festgestellt, das ich mir dir teilen möchte:
Es ist möglich, glücklich mit MS zu sein (und zwar so richtig). Auch für dich. Wie das geht, zeige ich dir heute.
Dass „Glücklich mit MS“ überhaupt möglich ist, habe ich selbst übrigens mehrere Jahre bezweifelt! Und wie!!
Ich hatte jeden Morgen Angst, dass heute „der Tag gekommen sei“. Der Tag, an dem ich nicht mehr würde laufen können. Der Tag, an dem die Kraft und das Gefühl in meinen Beinen, meinen Armen, meinen Augen sich für immer und ewig verabschieden würde.
Aus die Maus.
Ein Leben, so wie ich es mir vorgestellt hatte? Freiheit, Reisen, Lieben, Lachen? Nicht für mich, dachte ich. Kein Wunder, dass die Diagnose MS für mich ein so heftiger Schlag war, dass ich danach eines der schlimmsten Jahre (oder sogar das schlimmste Jahr?) meines Lebens hatte. Und das war bei dir ja sicherlich nicht anders.
Angst, Unsicherheit, Verzagen. Viel Selbstmitleid. Viel Unverständnis und vor allem: Viel nicht-wahr-haben-wollen.
Ich konnte, ich wollte einfach nicht glauben, dass es a) mich „erwischt“ hatte, und dass es b) irgendwann leichter werden würde.
Auch wenn mir Menschen aus meinem Umfeld sagten, dass ich eines Tages damit umgehen können würde – ich glaubte es ihnen nicht. Glücklich mit MS? Dass ich jemals an diesen Punkt kommen würde, bezweifelte ich stark.
Was genau ist passiert, dass ich mich nun als „glücklich mit MS“ bezeichne?
Als erstes muss ich sagen, dass dieser Prozess bisher fünf Jahre andauert, und dass auch für mich noch ein weiter Weg zu gehen ist.
Ich erleide, genau wie du, Rückschläge in meiner Gesundheit. Natürlich meldet sich ab und an die MS, raubt mir zeitweise das Feingefühl in meinem linken Bein, zieht an meinen Sehnerven, lässt meine linke Hand irgendwie… komisch werden.
Attacken von Fatigue kommen bei mir selten, aber wenn, dann richtig vor – und der Schwindel grüßt in unregelmäßigen Abständen mal mehr und mal weniger.
Es ist also nicht alles nur Sonnenschein – und trotzdem bin ich glücklich mit MS.
Denn ich habe ein paar Geheimwaffen, die ich dir heute verraten möchte. Diese lauten:
Vertrauen
Akzeptanz
Positivität
Zuversicht
Geduld mit mir
Diese fünf Dinge sind es, die mir dabei helfen, glücklich mit MS zu sein. Und das beste: Sie sind erlernbar. Auch für dich.
Gehen wir die Begriffe also Schritt für Schritt durch, damit du verstehst, wie du sie auf deine Situation anwenden kannst, inklusive der Gedankengänge, die ich dir in diesen Momenten nur empfehlen kann:
1. Vertrauen
Deine Einstellung: „Ich habe vertrauen in meinen Körper, auch wenn er mir dazu vielleicht nicht immer einen Grund gibt. Ich vertraue darauf, dass mein Körper bestrebt ist, gesund zu bleiben, und dafür kämpft. Ich vertraue auch auf die Medikamente/meine gewählte Therapie/Ernährungsform etc und darauf, dass ich das bestmögliche für meine Gesundheit tue. Ich vertraue darauf, dass meine Familie, meine Freunde für mich da sind, und darauf, dass ich die Stärke habe das durchzustehen. Wenn ich an meiner Stärke zweifle, denke ich an die Dinge, die ich schon bis hierher überstanden habe, um neues Vertrauen in mich zu schöpfen.“
2. Akzeptanz
Deine Einstellung: „Ich akzeptiere, dass ich eine chronische Krankheit habe. Ich leide unter Multipler Sklerose, wofür ich nichts kann. Diese Krankheit wird immer da sein, ihr Vorhandensein kann ich nicht ändern. Ich kann aber, und das weiß ich, ihren Verlauf positiv beeinflussen. Wenn ich jeden Tag gegen die Akzeptanz der MS kämpfe, wird es mir nicht besser gehen. Die Akzeptanz ist ein wünschenswerter Zustand und hat mit ‚Aufgeben‘ nichts zu tun.“
3. Positivität
Deine Einstellung: „Auch, wenn gerade alles den Bach runter geht, versuche ich, nicht dauerhaft den Teufel an die Wand zu malen. Man kann eine positive Einstellung trainieren, wie einen Muskel – das gilt auch für eine negative Einstellung. Wenn ich also täglich negativ denke, dann wird dieser Muskel immer stärker, und bald fällt mir nicht mal mehr auf, dass ich negativ denke – ich halte es für die Realität. Wenn ich aber positiv denke, dann wird auch diese Einstellung immer stärker – und sie wird zu meiner Realität. Ich kann nur davon profitieren, wenn ich positiv bleibe. Das hat mit Realitätsfernheit nichts zu tun, sondern ist Balsam für meine Seele.“
4. Zuversicht
Deine Einstellung: „Auch wenn ich gerade leide, weiß ich, dass dieser Zustand nicht für immer andauern wird. Er ist temporär. Er wird wieder vorbeigehen, und auch wenn danach vielleicht manches nicht mehr ist wie vorher, werde ich wieder Spaß am Leben haben. Ich werde generell nicht wegen meines jetzigen Zustands meine Lebenslust verlieren, und ich werde wieder lachen – eines Tages, definitiv. Ich werde die jetzige Zeit im Nachhinein als schwere Zeit und Herausforderung ansehen, die ich überkommen bin und an der ich gewachsen bin.“
5. Geduld mit mir
Deine Einstellung: „Mein Körper ist keine Maschine, er funktioniert nicht auf Knopfdruck. Auch wenn Dinge sich rasant verschlechtern können, dauert es meist einige Zeit, bis das Unheil wieder weggeht. Dessen bin ich mir bewusst. Ich erwarte also keine Wunder, sondern bleibe positiv und realistisch. Damit nehme ich mir den Druck. Ich schütze mich auch vor Druck von außen, indem ich frühzeitig um Hilfe bitte/Termine absage/umplane, wenn ich weiß, dass ich einfach gerade nicht fit bin. Je lieber ich zu mir selbst bin, desto lieber ist mein Körper zu mir. Ich gebe ihm die Zeit, die er braucht, und unterstütze ihn bei der Regeneration, wo ich kann.“
Immer wieder fragen mich meine Leser*innen, wie ich es schaffe, glücklich mit MS zu sein.
„Woher nimmst du nur diese Kraft?“. „Wie schaffst du es, so positiv zu bleiben?“, fragen sie mich.
Die Waffen dafür habe ich dir mit diesem Artikel in die Hand gelegt – jetzt ist es an dir zu nutzen. Denn: Es kommt alles aus einem selbst. Auch ich habe meine Denkweise trainiert, immer und immer wieder – bis mir obige Einstellungen in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Es ist wie Sport: Je öfters du diese Einstellungen anwendest, desto leichter werden sie dir nach einer Weile fallen, und desto schneller wirst auch du glücklich mit MS sein. Oder zumindest zufrieden – und dankbar. Und das ist ein wunderbares Gefühl. Du kannst es zumindest mal ausprobieren, wenn du möchtest.
Was hast du zu verlieren?
***
Wie sieht es bei dir aus – würdest du dich als glücklich mit MS bezeichnen? Wendest du einige dieser Strategien bereits an? Lass und darüber sprechen, hinterlass einfach einen Kommentar!
Das schwerste für mich ist, dass ich diese Krankheit chronisch habe und mich kaum fortbewegen kann und ich bin nicht mal 30. Ich wünschte ich hätte sie schubförmig. Natürlich ist alles mit positiver Einstellung besser und ich habe noch Hoffnung auf Genesung. Gottseidank habe ich einen tollen Mann, der mir wenigstens noch einen Grund zum Leben gibt…aber glücklich sein damit? Sorry aber so ist es kein Leben sondern ein zusehen wie andere Leben.
Dann diese blöde Aussage: Akzeptiere es und leb damit… Sorry aber alle meine Wünsche und Träume sind passé….wie soll ich damit leben?
Vielleicht hast du ein paar Worte die mich aufheitern.
Lg
Hallo Kerstin,
am schönsten wäre es natürlich, wenn du gar keine MS hättest. Ich selbst kann natürlich nur aus meiner eigenen Perspektive schreiben, und ich habe zum Glück bisher einen leichten Verlauf. Dennoch denke ich, dass uns einiges eint – vielleicht nicht auf der körperlichen Ebene. Aber eine Einstellung, die es uns erlaubt so gut es geht mit der MS zu leben, die ist für jede Menschen erlernbar. Wenn man es sich nur zutraut. Ich habe schon mir sehr vielen MSlern gesprochen, die im Rollstuhl sitzen und starke Beeinträchtigungen haben. Natürlich sind nicht alle immer nur happy (wer ist das schon?) aber sie haben doch einen Umgang mit der Krankheit gelernt, der es ihnen erlaubt, die schönen Momente, das kleine Glück, dass sie erfahren, zu genießen und mehr zu Gewichten. Du sagst du hast einen tollen Mann – das ist doch wunderbar! Er liebt dich, auch mit deiner Krankheit für die du nichts kannst. Es klingt ein wenig so, als wärest du selbst sehr hart zu dir. Könntest du an der Stelle etwas nachsichtiger mit dir sein (denn krank bist du ja so oder so), dann würde es vielleicht einfacher gelingen, die Freude die der Alltag für uns alle immer wieder in Petto hat besser zu genießen.
Um all das zu erarbeiten kann es auch eine gute Idee sein, eine unterstützende Psychotherapie zu machen. Dein Neurologe kann dir Adressen nennen, das zahlt die Kasse. Einen Versuch ist es wert.
Alles erdenklich gute dir und deinem Mann
Samira
Hallo Samira,ich habe das “Gehirnaids”wie iches liebevoll nenne,seit nun mehr als 20 Jahren.Damals habe ich alles verloren,meine Famiele ist bis heute komisch mir gegenüber geblieben.Ich habe einen gutartigen Verlauf und sehe blendend aus,so das sich die menschen um mich herum,fragen,ob ich nicht doch kerngesund bin.ich lebe mein leben sehr positiv und genu´ieße jeden Augenblick.Ich habe durch die Erkrankung viel über mich erfahren und mich positiv weiterentwickelt,wärend die Menschen um mich herum ,irgendwie stehen geblieben sind.Ich würde auch furtbar gerne Reisen ,aber leider hat die Erkrankung mein Selbstwert angegriffen,und durch das permanente Alleinesein habe ich Ängste entwickelt,die mich hindern ,in andere Länder zu reisen.Ich wurde damals frühberentet und das hat mir zu der Zeit noch den Rest gegeben.In der Zwischenzeit habe ich aber ganz tolle Minijobs gefunden.Von der Erkrankung erzähle ich nie,denn die Leute wenden sich ab.Heute bin ich als mobile Pferdetherapeutin unterwegs und konnte vielen Tieren und ihren Besitzern weiterhelfen und das tun,was ich sehr liebe.Pferden ein Sprachrohr sein!Denn durch die Erkrankung bin ich mega sensibel und feinfühlig.Und das wissen die Tiere .bei kleinen Kindern funktioniert diese Verbindung auch vorzüglich.Ich habe diese Erkrankung bis aufs kleinste in Einzellteile zerlegt und kenne sie besser als meine Ärtze.Denn für die habe ich immer MS obwohl es nur ein Schnupfen ist.GRINS.Ich laß mich da nicht mehr verunsichern….Ich lebe und liebe doch mit mir,da weiß ich was was ist.So liebe Samira,ich habe Dich auf dm Sofa gesehen,und Dein Buch in den Händen….Mal schauen ,ob ich da was für mich entdecken kann.Ganz liebe Grüße Ines aus der Lüneburger Heide
Liebe Ines, es scheint als hättest du einen Umgang mit der Krankheit gefunden, der für dich gut funktioniert. Ein Job klingt wirklich ganz toll und ich finde es super, dass du sogar anderen Menschen hilfst.
Alles erdenklich Gute dir und viel viel Spaß mit meinem Buch!
Samira
Hallo Samira!
Mein Name ist Sabine ich bin 61 Jahre und habe die Diagnose MS 2009 bekommen. Ich habe Ausfälle in der ganzen re. Seite.
Meine Frage an dich, wie sind deine Erfahrungen mit Hoch Dosiertem Vitamin D.
Meine Neurologien hat mir nur 1000 Einheiten geraten.
Liebe Sabine, ich selbst mache das Coimbra Protokoll, das ist eine extrem hochdosierte Vitamin D Therapie – und zwar mache ich nur das.
Du kannst dich auf der Website informieren: http://www.coimbraprotokoll.de
Soweit ich weiß kannst du bei MS locker 10.000IE pro Tag einnehmen, ohne dich dabei an besondere Ernährungsvorgaben etc halten zu müssen.
Liebe Grüße,
Samira
Liebe Sabine und Hallo Samira,
ich möchte Samiras Aussage unterstützen. Auch ich nehme jeden Tag 10.000 IE am Tag und mir geht es wunderbar. Ich habe MS seit 2013 – Diagnose lautet sehr aggressive Form. Aber meine Meinung ist anders. Und vor allem mein Empfinden. Ich habe keinerlei Beschwerden seit vier Jahren. Ich mache sehr viel Sport und ignoriere die Krankheit einfach. Viele haben Angst davor – ich nicht! Und ich fahre sehr sehr gut damit.
Samira – ich finde es wunderbar, dass du mit deinem Blog anderen Betroffenen Mut machst. Beide Daumen hoch
Bleibt stark!
Ein lebensfroher Gruß, Kati
Danke dir Kathi und weiterhin alles gute. Auch ich habe keine Angst vor der Krankheit, und seit ich die Angst losgeworden bin geht es mir stetig besser 🙂
Danke für deinen Blog.
Meinen ersten schub hatte ich 2013, übriggeblieben ist nichts. Meinen zweiten 2017, seitdem spüre ich öfter kribbeln auf der haut an oberschenkel, füßen etc.
Ich versuche mir immer mut zu machen. Wenn ich etwas spüre sage ich mir dass es nur vorrübergehend ist und es morgen besser sein wird.
MRT habe ich die ersten paar jahre alle 6 monate gemacht. Das mache ich nicht mehr. Vor jedem mrt hatte ich tagelang angst.
Heute kann ich nicht anders als mich hier mitzuteilen! Ich habe leider niemanden zum Reden!
Letztes jahr war sehr bewegend. Ich habe meine beziehung beendet, sie hat das kind mitgenommen. Ich habe alleine das Haus gebaut das unser Heim hätte werden sollen. Im job war ich das ganze jahr auf 200%. Ich mache nebenbei auch viel. Ich dachte wenn ich 2019 ohne schub überstehe dann habe ich es geschafft. Falsch gedacht
Vor 2-3 wochen hatte ich dann zum ersten mal in meinen leben eine migräne attacke. Seitdem ist mir schlecht, mein kopf tut weh. Letzte woche kam ein mageninfekt dazu. Heute kribbeln mal meine füße, dann meine zunge usw.
ich habe das gefühl mein körper spielt verrückt. In manchen stunden bin ich total zappelig, habe ängste, bin traurig und und. Ich bin einfach leer! Ich verbinde dann alles
Mit der ms. Ich war beim neuro. Er sagt das hat nicht mit der ms zu tun…
Ich weiß nicht weiter. Bin normalerweise immer positiv aber gerade fällt mir alles auf den kopf und ich kann einfach nicht positiv sein.