Ich bekomme immer wieder Mails mit einem solchen oder ähnlichen Inhalt:
„Liebe Samira, ich habe eine Frage zum positiven Umgang mit MS. Ich weiß einfach nicht, wie ich mit den Menschen in meinem Umfeld umgehen soll! Alle sagen, dass es ja bald mit mir bergab gehen wird. Dabei fühle ich mich eigentlich auch oft gut! Auch online ist alles voll von Menschen, denen es nur schrecklich geht. Das macht mir solche Angst. Wie schaffst du es nur, so zuversichtlich trotz MS zu bleiben?“
Die Antwort auf diese Frage möchte ich in zwei Artikeln (wovon dieser der erste ist) für dich beantworten. Dazu möchte ich erstmal das Wort des „Runterziehers“ für diese Artikel ins Leben bemühen. Denn andere möglicherweise passende Begriffe wie etwa Nörgler, Meckertante, Schwarzmaler oder Angsthase erfüllen hier nicht den Zweck, für den ich ein Wort brauche. Sie alle lehnen sich nämlich viel zu sehr an das Verhalten Person an, die dich herunterzieht, und bewerten es.
Es soll aber nicht darum gehen, ob diese Person das nun zurecht oder zu unrecht tut, und ob sie dafür Anlass oder nicht hat, sondern es soll allein um DICH gehen in diesem Artikel: Darum, wie du damit umgehst, dass Menschen in deinem Umfeld oder im Internet nun mal tun, was sie (aus welchem detaillierten Grund auch immer) nun mal tun: Dass sie dich herunterziehen.
Diese Runterzieher machen das selbstverständlich (zumindest meistens) NICHT, weil sie so blöde und böse sind.
Sie machen das auch nicht, weil die sich wünschen, dass du mal nicht so zuversichtlich trotz MS sein sollst. Natürlich machen sie das aus anderen Beweggründen, manchmal sogar aus nett gemeinten Gedanken heraus: „Ich schiebe dich, wenn du im Rollstuhl sitzt“. „Keine Sorge, ich helfe dir beim Putzen wenn du das bald nicht mehr allein schaffst!“ Oder auch „Mit MS kann man unter gewissen Umständen noch ein annähernd beschwerdefreies Leben führen“, was mir mein Arzt damals sagte und was ich absolut daneben fand…
Das wären dann die nicht selbst betroffenen Runterzieher, um die es heute gehen soll: Deine Ärzte, deine Verwandten, Freunde. Es gibt auch noch die selbst betroffenen Runterzieher, also andere MS Betroffene (auch hier, bitte nicht falsch verstehen: Ich möchte ganz und gar nicht werten, warum diese Menschen dich runterziehen), um die es im nächsten Artikel gehen soll.
Sie haben alles Recht der Welt dazu, über ihre Gefühle zu sprechen – aber heute soll es einfach nur um DICH gehen und wie du dich davor schützt, heruntergezogen zu werden.
Warum man auch mal in Selbstmitleid baden sollte, habe ich in diesem Artikel bereits erklärt, also versteh mich bitte nicht falsch: Ich möchte mitnichten sagen, dass du trotz MS den ganzen Tag grinsen und glücklich wie ein frisch eingeschultes Kind durch dein Leben hopsen oder rollen sollst. Nope. Das meine ich nicht. Es ist total wichtig, auch mal zu leiden, zu meckern, zu heulen, die sch*** MS zu verfluchen und dein Umfeld gleich mit. Been there, done that – und zwar immer und immer wieder.
Doch mindestens genauso wichtig ist es, diese Phasen der Trauer und depressiven Verstimmung auch wieder beenden zu können.
Es ist wichtig, nicht nur die Momente zu Gewichten in denen es dir schlecht geht, sondern auch die, in denen es dir deinen Umständen entsprechend gut geht. Denn diese Momente gibt es, und zwar egal in welchem Stadium und mit welcher Verlaufsform der MS auch immer. Das sage ich nicht nur so daher, sondern das weiß ich, weil ich mich einfach schon mit wirklich vielen Menschen unterhalten habe, die MS haben. Die im Rollstuhl sitzen. Die sich katheterisieren. Ja, du liest richtig: Auch diese Menschen sind selbstverständlich glücklich! Nicht immer (wer ist das schon), aber immer wieder! Es ist also de facto möglich, zuversichtlich trotz MS zu sein.
Wie also kannst du, wenn es dir gerade gut geht, möglichst lange in dieser Stimmung und damit zuversichtlich trotz MS bleiben?
Von ersteren Konsortien, also den Runterziehern, die nicht selbst betroffen sind, habe ich selbst es mittlerweile recht gut geschafft, mich nicht runterziehen zu lassen. Mein Geheimrezept? Ich habe einige Glaubenssätze, also positive Gedankengänge, mittlerweile so gut trainiert, dass sie sich wie ein Schutzschild zwischen den Runterzieher und mich stellen, sobald die typischen Sprüche fallen.
Um diese positiven Glaubenssätze zu trainieren, ist es am besten, dass du sie so oft wir möglich wiederholst. Denn oft vergessen wir, dass wir manchmal zwar positive Dinge zu uns selbst SAGEN, aber nicht wirklich selbst an sie GLAUBEN. Und hier liegt das Problem: Ein positiver Glaubenssatz kann dir nur dann dabei helfen, zuversichtlich trotz MS zu bleiben, wenn du ihn wirklich verinnerlichst und SELBST AN IHN GLAUBST.
Versuche also, dir einen Glaubenssatz oder auch zwei herauszusuchen, die dich wirklich ansprechen und die du gut findest. An die du Glauben willst und kannst. Hier ein paar Beispiele für positive Glaubenssätze (einige davon findest du auch in meinen 10 positiven Denkansätzen, die du dir in der Seitenleiste dieses Blogs herunterladen kannst).
Positive Glaubenssätze, um zuversichtlich trotz MS zu bleiben und sich nicht runterziehen zu lassen:
- Ich vertraue meinem Körper, weil ich weiß, dass ihn das stärkt
- Alles kann, nichts muss
- Es kann sehr gut sein, dass der schlimmstmögliche Verlauf nie eintritt
- Ich tue alles dafür, dass es mir so gut wie möglich geht (Sport, Ernährung, Aufhören zu rauchen…)
- Die MS ist mein Warnschuss, um mein Leben ab jetzt so gut wie möglich zu leben
- Durch die MS habe ich endlich gelernt, auf meinen Körper zu achten
- Keiner kann wissen, was die Zukunft bringt
- Ich war ja vor der Diagnose auch nicht sicher vor Unfällen und Invalidität, und war trotzdem glücklich
- Auch wenn ich jetzt traurig bin, werde ich eines Tages wieder glücklich sein
- Ich tue alles dafür, um die MS im Schach zu halten
- Ich werde von meinem Freund / Meinen Eltern / meinen Kindern geliebt
- Es besteht die reale Chance, dass es mir bald wieder besser geht
- Die Person vor mir hat keine Ahnung von mir und meiner Krankheit, und das ist auch okay
- Ich selbst weiß am besten, was mir guttut und was nicht
Du kannst dir einen oder zwei heraussuchen oder auch ganz eigene Glaubssätze erstellen, die sich bei dir warm und gut anfühlen.
Deinen Glaubenssatz wiederholst du so oft es geht, zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen. Du kannst ihn auf einen Zettel schreiben und an deinen Kühlrank oder deinen Spiegel heften. Du kannst ihn aufschreiben und Rahmen und auf deinen Schreibtisch stellen. Trainiere diesen Satz so oft es geht, dann wirst du ihn irgendwann verinnerlichen.
Ich bin so zuversichtlich trotz MS, weil ich mittlerweile WIRKLICH daran glaube, was ich hier erzähle (und nein, das war nicht immer so)
Aber ich habe es trainiert. Klar – manchmal verliere ich den Glauben an diese Sätze und male alles dunkelschwarz. Das ist doch völlig verständlich. Aber: ich kehre immer wieder zu den Glaubenssätzen zurück.
Wenn jemand mir also an den Kopf knall (der, mit Verlaub, meist keine Ahnung hat): „Du hast MS? Und kannst noch laufen? Naja, du bist ja noch jung… Ich habe eine Tante, die hat auch MS, aber der geht es suuuuuper schlecht!“, dann erwidere ich: „Es tut mir sehr leid, dass es deiner Tante so schlecht geht. Aber ich habe nicht vor, bald im Rollstuhl zu sitzen, und ich glaube auch nicht, dass das passieren wird!“.
Und das glaube ich fest, weil ich es wie einen Muskel trainiert habe. Weil diese Menschen es oft gar nicht böse meinen und auch nicht wissen was sie damit anrichten in dir. Also: Sei lieb zu dir selbst. Entscheide dich HEUTE dafür, konkret und mit diesem leichten Training an deiner Einstellung, an deinem ganz persönlichen Schutzwall zu arbeiten. Einfach, um zuversichtlich trotz MS zu bleiben!
Denn selbst wenn du eines Tages im Rollstuhl sitzen solltest geht das Leben a) trotzdem weiter und b) kannst du dir immer noch Gedanken und Sorgen darüber machen, wenn es denn soweit ist! Was bringt es dir heute, darüber nachzudenken, was morgen oder – noch schlimmer – in ein paar Jahren ist außer Gram und Trauer und Angst? Genau: Nichts.
Der Alltag mit MS kann hart sein, und mindestens genauso hart (wenn nicht noch härter) sind vom Umfeld achtlos rübengeflankte und respektlose, verletzende Sätze.
Davor kann ich dich nicht nicht schützen. Auch dein Arzt nicht, auch dein Medikament nicht. Dafür musst du selbst sorgen. It’s that simple: DU entscheidest, wie nah du schlimme Kommentare an dich heranlässt und wie sehr sie dich herunterziehen. Heute kannst du das entscheiden, oder morgen, oder nächstes Jahr.
Fakt ist: Je schneller du es tust, desto schneller wirst du TATSÄCHLICH zuversichtlich trotz MS werden. Deine Sätze werden von „Ja, aber…“ zu „Ist so“.
Lass mich dich auf diesem Weg unterstützen, packen wir es gemeinsam an. Ich glaub an dich!!
Im Teil 2 gehen wir dann darauf ein, wie du dich am effektivsten von selbst betroffenen Runterziehern schützen kannst, also bleib gespannt 🙂
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Wie gehst du damit rum, wenn Ärzte oder dein Umfeld dich runterziehen, obwohl du eigentlich einen guten Tag oder einen guten Monat hast? Lässt du das an dich ran oder hast du eine dicke Haut aufgebaut? Was hat dir dabei geholfen? Mach diesen Artikel noch wertvoller für die Community und hinterlass einen Kommentar! Ich bin dir sehr dankbar dafür <3