Urlaub mit MS – meine Fehler und was du aus ihnen lernen kannst

Ich komme gerade aus meinem Sommerurlaub zurück.

Das schreibt sich so leicht, und doch weiß ich tatsächlich nicht mehr, wann der letzte – richtige – Sommerurlaub für mich war. 2,5 Wochen Italien und Kroatien, frisch verliebt, was gibt es schöneres?

Voller Tatendrang ging es los. Mein Freund ist Australier, es war sein erstes Mal in Europa, und ich brannte natürlich darauf ihm alles zu zeigen! So viel wie möglich sehen, erleben, tauchen gehen, schlemmen, schlendern… hach, es würde der Urlaub unseres Lebens werden. Dachte ich so. 

Doch ich hatte bei dieser Traumplanung irgendwie so einen nicht ganz kleinen, nicht ganz unwichtigen Faktor außenvorgelassen: Die Liebe Tante mit den zwei Buchstaben. Die MS. Ich habe irgendwie in meiner hormongesteuerten Vorfreude einfach nicht mit eingeplant, dass es nicht einfach nur ein Urlaub ist – sondern eben ein Urlaub mit MS.

Urlaub mit MS – dieser Faktor muss bei der Planung berücksichtigt werden

Wer mich hier öfters liest und mir auf Instagram oder Facebook folgt weiß: Ich habe einen leichten Verlauf. Mir geht es die meiste Zeit wirklich richtig gut, bis auf ein paar leichte Symptome wie Taubheit und Augenschmerzen abgesehen, über die ich aber wirklich nicht klagen möchte an dieser Stelle. Mir ist absolut bewusst, dass ich es damit total gut getroffen habe und ich bin extrem dankbar, dass es mir an sich so gut geht.

Zugfahrt nach Italien – in 12 Stunden von Berlin nach Bologna!

Das tückische ist nur: Manchmal denke ich dann, ich wäre so fit und leistungsfähig wie mein 20-jähriges Selbst, als von MS noch keine Rede war. Oder ich denke die MS kann mir nichts mehr anhaben.

Tja, und dann kommt die MS und grinst und sagt: Nö.

Mein Urlaub mit MS begann mit deutlich mehr Anstrengung, als ich das gedacht hätte

Mit dem Zug fuhren wir nach Italien, und obwohl ich kaum Schlaf fand, obwohl ich total überdreht und aufgeregt war und der Zug voller schreiender Kinder und lautstark diskutierender italienischer Teenager war fand ich es einfach nur großartig. Reisen in Coronazeiten – langsam und umweltschonend. Very nice.

In Bologna angekommen nahm ich mir kaum Zeit zum erholen.

Ich wollte raus! Dinge sehen! Spazieren gehen! Gelato essen! Alles!

Also schnappte ich mir den müden Freund (wir sind in Italien, wie kann der jetzt nur MÜDE sein?!?!?) und wir gingen los. Er bat mich darum, nur eine kleine Runde zu drehen, aber ich wollte immer weiter.

Urlaub mit MS
In Bologna – meine Erschöpfung sieht man mir nicht an, aber ich war fix und fertig

Noch durch diese süße Gasse und zu jedem süßen Platz. Irgendwann fanden wir ein Cafe und setzten uns und tranken das teuerste Bier meines Lebens (im ernst, 7€ für ein Bier??). Und ob es jetzt an dem Bier lag oder an dem Preisschock – aber plötzlich kippte es. Plötzlich fühlte ich mich nicht nur müde – ich war plötzlich so erschöpft, dass ich mich am liebsten direkt da aufs hundert Jahre alte Kopfsteinpflaster gelegt hätte und eingeschlafen wäre.

Urlaub mit MS – und der neuen Liebe

Das Ding: So richtig traute ich mich in dem Moment nicht, zu mir zu stehen. Warum? Frisch verliebt. Neue Beziehung. Gar nicht so leicht, da zu sagen: Hey, du, ich bin zwar sonst immer voll fit und so aber gerade weiß ich nicht mal, wie ich noch in die Ferienwohnung zurückkommen soll. 

Genau das war es aber, was ich hätte tun sollen.

Ich hätte wissen sollen dass eine so große Spazierrunde nach einer so langen Bahnfahrt Irrsinn ist und ich hätte vor allem meinem Freund erzählen sollen, wie es mir geht. Er weiß natürlich, dass ich MS habe, aber meistens bekommt er davon eben nicht viel mehr mit als ab und an mal hier und da was kleines. Aber die Erschöpfung, die ich Bologna verspürte, die war nicht klein. Die war MÄCHTIG GEWALTIG.

Ich hievte mich dann irgendwann doch in die Wohnung und traute mich endlich zu erzählen. Traute mich zu sagen, dass ich heute nicht mehr rausgehen kann. Dass seine erste italienische Pizza eine Take Away Pizza sein wird die wir im Bett essen, weil nichts mehr geht. Urlaub mit MS – hatten wir uns irgendwie beide anders vorgestellt.

Am Ende habe ich fast fünf Tage lang zu knabbern gehabt.

Und zwar leider nicht an leckerer italienischer Pizza, sondern an den Folgen meiner extremen Fatigue-Attacke in Bologna.

Wenn du mich fragst, wie Bologna war, dann kann ich nur sagen: Bett war gemütlich. Ehrlich jetzt. Ich hab keine Ahnung wie Bologna war. Ich lag ungelogen drei Tage lang im Bett. Zwei mal bin ich für einen Mini-Spaziergang vor die Tür. Und das wars.

Urlaub mit MS
Der einzige Ausflug den wir gemacht haben: Toskana angucken 🙂

Zum Glück war mein Freund, nachdem ich ihn eingeweiht hatte wie es mir ging, eine große Hilfe. Er bremste mich aus, wenn ich mal wieder irgendwas machen wollte. Er schickte mich gnadenlos zurück ins Bett. Ich liebe ihn sehr dafür. Denn manchmal können andere dann doch besser auf uns aufpassen als wir selbst, oder?

Nach zwei Tagen fuhren wir, wie das eben geplant war, weiter nach Florenz.

Auch hier wurde der Urlaub mit MS überschattet. Auch hier lag ich fast nur im Bett, fraß mich durch eine Packung Schmerztabletten nach der anderen (die Augen!!) und versuchte, irgendwie nicht nur wie das letzte Stückchen Elend auszusehen.

T. War das erste mal in Italien – und seine Freundin, also ich, war so nutzlos wie ein Küchenschwamm. Und ganz ehrlich: Das fühlt sich richtig scheiße an. Ich glaube, ein bisschen habe ich mich geschämt, ich war traurig für ihn. Ich wusste, hätte er eine andere Freundin, dann könnten sie gemeinsam die Stadt unsicher machen. Ich fühlte mich sehr uncool. Ich war echt nicht sehr nett zu mir selbst.

Nach weiteren zwei Tagen im Bett wurde mir klar: Wir würden umplanen müssen.

Wir würden die Route für die Weiterreise ändern müssen. Wir würden Züge und AirBnBs stornieren müssen. Denn ich war am Ende. Ich konnte nicht mehr reisen. Ich musste mich einfach nur ausruhen. 

Und endlich, endlich wendete sich nach vier Tagen Kampf mit mir selbst alles wieder zum Guten: T. Übernahm die Umbuchungen und Stornierungen. Er machte es einfach klar. Ich hatte mir eingestanden dass ich es nicht konnte, und es wurde angenommen. Das klingt so einfach, und doch war es zu diesem Zeitpunkt das schönste Gefühl der Welt, nicht ausgeschlossen sondern einfach nur verstanden und ernst genommen zu werden.

Unser herrlicher Strand in Cervia: Endlich einfach nur Entspannung.

Was soll ich sagen? Ab diesem Tag wurde alles besser.

Meine Symptome verschwanden innerhalb von zwei Tagen. Wir hatten einen Traumhaften Urlaub. Wir machten viel weniger und genossen viel mehr. Wir waren weniger aktiv – und doch gesünder als wenn wir den ganzen Tag rumgelaufen wären. Ich habe zwei mal Sport gemacht in der ganzen Zeit – und es war der Himmel. 

Was lernst du daraus also für deinen eigenen Urlaub mit MS?

Mach. Verdammt. Noch. Mal. Langsam. Echt jetzt. Mach nicht den Fehler wie ich und verpulvere fünf kostbare Urlaubstage weil du zu schnell zu viel willst.

Du bist krank und es ist OKAY faul zu sein. Das ist nicht faul, das ist Überlebenskunst. Du darfst das. Du musst das sogar. Trau dich zu dir zu stehen. Ich habs irgendwann auch geschafft – also schaffst du das ebenso <3

Deine – zum Glück nun doch sehr erholte – Samira

***
Wie ist das bei dir – willst du auch im Urlaub mit MS manchmal einfach viel zu viel von dir? Oder kannst du deine Kraft ganz gut einteilen?

Mindful mit MS
Yoga mit MS

2 comments

  1. Hi, ich habe den Artikel eben erst gelesen, weil
    Ich nach sowas gesucht habe. Ich bin für eine Nacht mit meiner Tochter unterwegs. Wir wollten heute viel
    Laufen/wandern. Und dann war ich nach der Ersten Anstrengung schon fix und fertig. Als wir im Hotel waren wollte ich am liebsten nur noch ins Bett. Aber wir sind dann nochmal raus, was essen und ein bisschen bummeln. Das ging dann. Aber es tut mir schon einfach so leid, das sie nicht mehr sehen konnte von der Stadt. Ich hatte vor zwei Jahren u. a. Auch eine Lungenembolie. D. h. Die Luft bleibt mir weg, meine Ohren klingeln dann und es ist als würde mein Kopf schwimmen oder mein Hirn. Das is die Anstrengung weil ich so außer Atem bin. Dann kommt alles zusammen. Und Empfindungsstörungen auch noch. Und dann erzähl ich es meiner Freundin und da kommt dann auch: „geht mir genauso. So Touren machen mich auch immer fertig. Und halt dich tapfer. Man kann ja auch Pausen machen.“
    Aber das ist eben nicht dasselbe. Und wenn ich ihr das schreibe das man das nicht vergleichen kann, kommt nichts mehr. Will sie dann auch nicht wirklich hören hab ich manchmal das Gefühl.
    Danke für den Artikel. Es tut gut, zu lesen, wenn es anderen auch so geht und das man damit nicht allein ist und sich nicht ganz so „unnormal“ fühlt.

    1. Liebe Steffi, so wirklich verstehen können das eben nur wir Menschen mit MS. Ich drück die Daumen dass du es schaffst, gut auf dich aufzupassen. Ich weiß, dass das nicht immer einfach ist.
      Deine Samira

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