*Dieses Gedicht entstand in Zusammenarbeit mit trotz-ms.de
Aufgewacht. Mit Angst im Bauch.
Die Beine gestreckt, versucht sie zu strecken
Die Schmerzen abzuschütteln
Die mich umklammert halten.
Und meine Nacht durchzucken wie Blitze.
Angst vor der Zukunft.
Angst vor mir selbst.
Mein Körper, denk ich, ist wie eine Bombe,
Eine Bombe in mir.
Und ich sitz drauf.
Und wart’ auf den Knall. Wart’ auf den Fall.
Ungewiss, so ungewiss was kommt
Und ich sehe meine Zukunft nicht mehr
Und weiß nicht: Sind es die Augen?
Ist das die MS? Werde ich morgen noch
Sehen, laufen, aufstehen können?
Der Tag geht vorbei
Das tut er ja immer. Und morgen? Mal sehen.
Aufgewacht. Hoffnung im Bauch.
Sehe in die Augen meines Partners
Sehe Liebe und sehe auch Angst
Und frage mich: Ist das mein Spiegelbild?
Ich kenne die Trauer, die Sorgen, die Angst
Und doch spüre ich heute
Dass da jemand ist.
Und ich bin nicht allein.
Und es ist nicht vorbei.
Und vielleicht werd ich Reisen,
Heiraten auch!
Werd arbeiten können,
Vielleicht wird das ja was.
Bitte, MS, bitte bleib heut still
Und ich verspreche dir
Dass ich stark sein will
Und dass ich tu was ich kann
Und dass ich hoff’, dass das reicht.
Der Tag geht vorbei. So schlimm wars heut nicht.
Und morgen? Mal sehen.
Aufgewacht. Sonne im Bauch.
Ich liege kurz da, spür in mich hinein
Und spür’ dass ich mich spüre
Keine Taubheit im Bein.
Keine Schmerzen im Arm.
Kein Nebel im Kopf.
Ich drehe mich um und von gestern weg
Lass gehen was war
Denn ich weiß
Dass ich loslassen muss, radikal.
Und immer wieder nach vorn schauen muss.
Stehe auf, feiere meinen Körper für jeden kleinen Schritt.
Danke ihm für seine Kraft.
Danke mir selbst für meinen Mut,
Mut an mich zu glauben.
Im Schmerz geborener Mut.
Der doch jeden Tag wächst.
Und mich jeden Tag stärkt.
Sehe in den Spiegel
Und sehe mich klar.
Sehe in meine Augen.
Ich bin immer noch ich,
Ich bin immer noch wertvoll,
Ich bin immer noch da.
Flüstere „Danke“, ganz leise
Weil ich weiß
Dass Ichs ohne sie nicht geschafft hätte,
Ohne die MS,
Auch mal auf meinen Körper zu hören.
Auch mal Pause zu machen.
Auch mal ich sein zu dürfen.
Nehme die MS an die Hand.
Der Tag geht vorbei.
Und morgen?
Mal sehen.
***
Dieses Gedicht zum Welt MS Tag 2021 habe ich aus euren Einsunden geschrieben! Ich hatte euch gefragt: Was sind eure Gedanken, Ängste, Träume im Zusammenhang mit eurer MS?
Es erreichten mich wirklich zahlreiche Zuschriften, und ich war tief ergriffen von dem Vertrauen und der Ehrlichkeit die mir begegneten. Das Gedich trug ich Live beim Connection Day von trotz ms vor, auch hier waren die Reaktionen sehr emotional.
Ich hoffe, das Gedicht gefällt euch – ich habe mich bemüht, alle Farben der MS abzubilden und somit ein Gedicht zu erschaffen, mit dem sich möglichst viele Menschen identifizieren können!