Tattoos bei MS – Es ist kein Geheimnis: ich habe so einige Tattoos. Ein paar davon sind vor der Diagnose, ein paar nach der Diagnose entstanden.
Vor ein paar Wochen fragte eine Leserin mich, ob ich wüsste, ob Tattoos bei MS problematisch sein könnten. Und klar haben alle die bereits die Krankheit haben schon auf dem Fragebogen vor dem MRT ausfüllen müssen, dass sie, ja, eine Tätowierung haben.
So genau wusste ich aber auch nicht, wie sich das mit den Kunstwerken auf der Haut bei Menschen mit Multipler Sklerose verhält.
Und da kamen du und meine anderen Leser*innen ins Spiel: Ich habe nachgefragt, wie die eigenen Erfahrungen mit Tätowierungen bei MS sind. Aus den Antworten entstand dieser Blogartikel, der hoffentlich etwas Aufschluss zu dem Thema bringt.
1. Tätowierungen müssen professionell und hygienisch gemacht werden
Wenn du dich dazu entscheidest, dich tätowieren zu lassen, dann ist die Wahl eines guten Studios und Tätowierers das A & O – ob mit MS oder ohne!
Viele von uns planen ein Tattoo mit viel Vorlauf, und vor allem wenn es dein erstes ist, solltest du dir genug Zeit für die Recherche lassen. Schau dir das Studio an, lerne den Menschen kennen der dich tätowiert. Stelle deine Fragen, schau dich um: Ist es sauber? Werden die Nadeln gewechselt, trägt der Tätowieren Handschuhe und Mundschutz?
Tattoos sind Verletzungen in der Haut, über die – wenn sie schlecht gemacht oder anschließend schlecht gepflegt sind – Infektionskrankheiten Einzug erhalten können. Solche wiederum können das Schubrisiko erhöhen. Das Thema Hygiene und Professionalität sollte für dich also oberste Priorität haben.
2. Frag deinen Arzt nach Tattoos bei MS
Tja, da ist dieser kleine Zaubersatz wieder – ich weiß, er geht uns allen auf die Nerven. Und doch ist das nun mal wichtig. Letztendlich ist es seine Meinung, die zählt (und in letzter Instanz natürlich deine eigene Entscheidung).
In meiner Umfrage auf Facebook war deutlich zu erkennen, dass fast kein Neurologe, keine Neurologin etwas gegen Tattoos bei MS einzuwenden hatte.
Von etwa 70 Kommentaren sagten gerade mal zwei Menschen, dass ihre Ärzte ihnen davon abgeraten hätten, eben wegen des hohen Infektionsrisikos und Schubrisikos durch den Stress.
Manche Menschen fragen ihren Arzt auch erst gar nicht… das würde ich nicht empfehlen. Frag nach und sei – soweit es geht – auf der sicheren Seite. Manche Tätowierer wollen auch eine Bescheinigung von deinem Arzt sehen, es schadet also wirklich nicht, ihn auf deiner Seite zu haben.
3. Tätowieren ist Stress pur für den Körper
Beim Tätowieren wird mit einer feinen Nadel Farbe unter deine Haut gebracht. Das heißt, eine winzige Nadel sticht tausende von Malen über den Zeitraum von Minuten oder durchaus auch Stunden auf deine Haut ein. Das kann an manchen Stellen mehr, an manchen Stellen weniger wehtun. Das kann Bluten und ziepen und einfach extrem unangenehm sein (auch wenn ich den Schmerz ja persönlich ganz nice finde, LOL). Und das ist vor allem eines: Es ist Stress für deinen Körper. Und Stress triggert, wie wir alle wissen, MS Symptomatik – und kann das Schubrisiko erhöhen.
Einer meiner Leser berichtete auch tatsächlich, dass er nach einem großen Tattoo einen Schub bekommen hatte.
War es der Stress? War es die Größe und damit die Dauer, die er diesem Stress ausgesetzt war? Who knows. Ich selbst habe mehrere Tattoos, wie gesagt, und hatte nie Probleme. Sie sind aber auch nicht besonders groß, und das längste was ich je gesessen habe war vielleicht eine Stunde – maximal!
Aber: Ja, bitte. Sei dir bewusst, dass du deinem Körper damit eine große Portion Stress servierst.
4. Tätowierende haben nur selten eine Ahnung davon, ob Tattoos bei MS okay sind oder nicht
Die wenigsten Tätowierenden wissen überhaupt, was MS ist. Es ist auch davon auszugehen, dass du höchstwahrscheinlich die erste Person mit MS bist, die er tätowiert. Ich empfehle, deinen Tätowierer über die Erkrankung zu informieren. Das schafft auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen euch. Oft musst du vor dem Tätowieren auch einen Bogen über dich ausfüllen, und dort ankreuzen dass du keine Vorerkrankung hast. Da müsstest du also lügen… muss aber nicht sein.
Dein Tätowierer wird sich vielleicht über deine Medikamente informieren wollen oder andere Fragen haben. Besprich alles mit ihm und stelle wenn nötig den Kontakt zu deinem Arzt her. Manche MS Medikamente unterdrücken das Immunsystem, was das Risiko einer Infektion nach/beim einem tattoo erhöhen kann. Lass diesen Umstand also abklären.
5. Fang mit einem kleinen Tattoo an
Wenn du unbedingt ein Tattoo bei MS möchtest, und dein Arzt und Tätowierer nichts dagegen haben, dann empfehle ich dir dringend mit einem kleinen Motiv zu starten. Ich bin diesem Ratschlag zum Glück gefolgt, und mein erstes Tattoo – ein „OM“ Zeichen mit einer Krone drüber (ähem… weil ich eine Prinzession bin und so 😀 ) ist zum Glück ein kleines gewesen, das ich mir mit zarten 16 Jahren habe stechen lassen.
Vor allem rate ich das aber nicht, weil du das Motiv bereuen könntest (das überlasse ich mal schön dir selbst), sondern weil du so sehen kannst, wie dein Körper reagiert. Ein kleines Tattoo ist schnell gemacht und stellt damit eine kleinere Belastung würden Körper da. Du kannst auch eine Stelle wählen, etwa den Oberarm, an der es möglichst wenig wehtut.
Dort wo die Haut am dünnsten ist, also zB über Knochen und Sehnen, tut es am meisten weh. Manch ein MS Patient hat sich auch schon genau das Körperteil tätowieren lassen, das durch die MS taub geworden ist. Das fand ich eine witzige Idee… wenns eh taub ist, tuts nicht so weh 😀
6. Tattoos bei MS und das MRT
Bevor du ins MRT gehst, musst du einen Bogen ausfüllen, auf dem du über dich Auskunft gibst. Dort wird auch abgefragt, ob du Tätowierungen hast. Wieso? Weil bestimmte Farben, die beim Tätowieren verwendet werden KÖNNTEN, Metallbestandteile enthalten KÖNNTEN. Warum ich das so schreibe? Wenn du dich an Punkt 1 hältst, und einen professionellen, hygienischen, modernen Tattooshop aufsuchst, dann wirst du damit höchstwahrscheinlich keine Probleme haben.
Die in Deutschland zugelassenen Farben sind frei von Metallen, und sie beeinträchtigen die Ergebnisse im MRT nicht und reagieren nicht magnetisch. Anders könnte es mit Farben aussehen, die im Ausland verwendet werden wo die Standards niedriger sein können. Also noch mal: Wähle einen guten Tätowierer!
Ich selbst habe schon unzählige MRTs gemacht und hatte noch nie Probleme (und das obwohl die wenigsten meiner Tattoos in Deutschland gestochen wurden – um genau zu sein war es lediglich eines 😀 :D)
7. Tattoos werden immer üblicher – aber achte auf die Stelle
Das stimmt natürlich nicht nur bei Tattoos mit MS, sondern bei allen Menschen allgemein: Immer mehr Menschen sind tätowiert. Man kann also davon ausgehen, dass die Menschen, die dich zB im Krankenhaus behandeln, die dir einen Tropf legen oder Blut abnehmen nicht mehr vom Hocker fallen, nur weil deine Haut tätowiert ist.
Bedenke aber dennoch, dass durch medizinische Eingriffe deine Tattoos in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Weiche also zB der Armbeuge aus, weil hier oft Blut abgenommen und anderweitig gepikst wird – sie ist sowieso keine gute Stelle für ein Tattoo da die Haut sich hier viel bewegt. Auch könnte es sein, dass die Adern schwieriger zu erkennen sind, wenn du hier tätowiert bist, was Blutabnehmen, Tropf, Kontrastmittelgabe etc erschweren könnte.
Gleiches gilt für Tattoos auf den Oberschenkeln, wenn du dort dein Medikament injizierst. Muss nicht sein, dass dein schönes Kunstwerk mit Stichen zerstört wird.
8. Bereite dich gut auf deinen Termin vor
Tattoos bei MS sind letztendlich gar nicht so viel anders als bei einem Menschen, der kein MS hat. Die Vorbereitung aber sollte – wie beim Reisen mit MS – sorgfältig erfolgen und eben doch ein paar mehr Komponenten abdecken.
Diese sind:
- Das Arztgespräch, das du vorher suchen solltest
- Außerdem empfiehlt es sich, dir die Zustimmung schriftlich bestätigen zu lassen
- Achte darauf, dass du am Abend vor dem Termin zeitig zu Bett gehst, damit du am nächsten Tag fit und ausgeruht bist
- Direkt nach einem Schub ist ein Tattoo keine gute Idee, weil es den Körper eben doch belastet. Warte also ein paar Wochen ab, wie lange genau kann dir dein Arzt sagen
- Auch solltest du den Termin verschieben, wenn du glaubst, ein Schub könnte im Anmarsch sein. Stressige Lebensphasen müssen nicht noch durch den Stress, den ein Tattoo für den Körper darstellt, erschwert werden. Denk daran: Das Tattoo läuft dir ja nicht weg. Du kannst dich immernoch tätowieren lassen, wenn es dir wieder besser geht.
- Schreibe deine Fragen auf vor dem Termin, wir MSler sind ja gerne mal etwas vergesslich
- Lass dir die Pflegeanleitung auch schriftlich mitgeben – direkt nach dem Stechen bist du sicherlich extra nervös und vergesslich
- Nimm dir nach dem Stechen nichts großes vor. Gehe nach Hause und ruhe dich aus
- Vielleicht planst du deinen Termin am besten an einem Freitag, dann hast du viel Zeit um dich wieder zu erholen
- Achte auf die Pflege!! Das ist nicht nur wichtig, damit dein Tattoo schön heilt – es ist auch essentiell um Infektionen vorzubeugen, die eben ein Schubrisiko darstellen können.
Du siehst: Ein Tattoo bei MS stellt für die meisten Menschen, die diese Krankheit haben, kein Problem dar.
Du solltest aber deinen ganz individuellen Fall mit deinem Arzt und deinem Tätowierer besprechen. Auch ist es wichtig, dass du dich ganz genau an die Pflegeanleitung hältst und einen guten, hygienisch arbeitenden Tätowierer wählst.
Viele Menschen mit MS lassen sich trotz ihrer Erkrankung tätowieren, und manche haben sich sogar ein Tattoo stechen lassen, das mit ihrer MS zutun hat. Die Orange Schleife ist dabei ein typisches Symbol, aber natürlich entscheidest du – andere Menschen genießen es auch, wenn ihr Tattoo einfach mal gar nichts mit Krankheit, sondern nur etwas mit Lebensfreude zutun hat.
Und da ich gefragt wurde: Die meisten meiner Tattoos bedeuten nichts spezifisches, sie sind einfach Schmuck für meinen Körper. Außerdem erinnern sie mich an die Länder und Momente, in denen ich sie mir habe stechen lassen: Mexico (3x), Nicaragua, Kolumbien, Mallorca. Die kleine Eichel (also die Frucht der Eiche, du Schweinchen 😀 ) auf meinem inneren linken Handgelenk hat eine sehr spezielle Bedeutung für mich: Sie steht dafür, dass aus kleinen Samenkörnern, kleinen Veränderungen, kleinen Gedankengängen einmal ein riesiger, wunderschöner Baum erwachsen kann.
Und mein neuestes Tattoo – das auf den Fingern – ist ein Vikingerezeichen, das bedeutet: You Create Your Own Reality.
Und daran glaube ich fest 🙂
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Hast du ein Tattoo, oder planst du dir eines stechen zu lassen? Was sind deine Fragen und Gedanken zum Thema Tattoo bei MS? Immer her damit, hinterlass mir gerne einen Kommentar!
Das Headerbildt stammt von Erik Schütz // GoodBY
Hallo Liebe Samira,
Ein toller Beitrag, schön hat mich gefreut einmal etwas über meine Leidenschaft zu lesen. Auch ich habe einige Tattoos, mit und ohne Bedeutung.
Ich habe viele Tiere und Pflanzen, weil ich Tiere und die Natur so Liebe. Eine Jakobsmuschel wegen meiner Jakobsweg. Und he, ob Du es glaubst oder nicht mein neuestes ist wie Du hast, eine Qualle auf meinem linken Oberarm. Der Grund hierfür, viel haben einen Namen für ihre MS ich hatte lange keinen und gab viel überlegt. Dein Mist Stück wollte ich Dir nicht nehmen 😘
Und irgendwann entstand dann Quasimodo die Qualle wegen den Quasteln, die doch auch die Nerven angreifen.
Ganz liebe und sonnige Grüße an einem tollen Novembertag
Susi
Hallo liebe Samira, ich habe inzwischen vier Tätowierungen. Zwei vor, zwei nach Diagnose. Bereut habe ich bis jetzt keines, aber ich gebe zu, dass mich das relativ große (c.a. 20 cm hoch) nach der Diagnose doch ganz schön gestresst hat, weil ich mir nicht sicher war, ob ich um einen Schub herumkomme. Aber es ist nix passiert. Ich hatte nicht mit meinem Neurologen darüber gesprochen, auf die Idee war ich auch gar nicht gekommen 😀 Mein Liebling ist aber das “Na und?!” auf meinem Rippenbogen. Mein Lebensmotto nach und vor MS. Ich hatte bei dir gelesen, dass du deiner MS einen Namen gegeben hast. Meine heißt Esmeralda. Ich habe keine Ahnung, warum, aber für mich ist das der Name einer zickigen, unvorhersehbaren Person, dabei kenne ich keine Einzige.
Liebe Grüße,
Stephanie
Wow, welch großartiger Text!!!
Danke 🙏💐
Interessante Fragen, die ich mir alle auch schon mal gestellt habe.
Ich habe tatsächlich mal gedacht, dass meine MS von der rot, pinken Farbe eines Tattoos auf meinem Körper kommen könnte. Verrückt, weil nein, davon kommt das kleine MistStück sicher nicht. Aber schon crazy
Schreib weiter, ich lese es so gern 🧐😉
Hallo liebe Samira,
für mich ist es gerade mal wieder Zeit mich immens mit der MS auseinanderzusetzen, da ich einige neue Symptome bekommen habe die auf einen Schub hindeuten. Nächste Woche habe ich einen Termin für´s MRT und einen Tag später ist der Termin für mein nächstes Tattoo, welchen ich bereits 2x verschieben musste wegen einer Erkältung. Nun, Dein Text hat mich dazu gebracht umzudenken und das Tattoo doch lieber in einer Zeit stechen zu lassen, in der es mir gut geht.
Verschiedene Sachen, die meine Persönlichkeit geprägt haben oder was ich erlebt habe, lasse ich in meine Tattoos mit einfließen.
Ich habe mich gerade entschlossen, dass ich die orangene Schleife in das nun doch verschobene Tattoo integrieren lasse – als Erinnerung an die durch MS verlängerte Vorfreude auf dieses Kunstwerk.
Liebe Grüße
Ulrike