So lebst du ausgeglichen und voller Dankbarkeit mit MS

Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin so richtig gesegnet, manchmal schwimme ich in Dankbarkeit. Heute soll darum gehen, wie du es schaffst, Tage an denen es dir gut geht wirklich zu schätzen, zu nutzen und in Dankbarkeit zu verbringen, und Tage an denen es dir schlecht geht anzunehmen und mit ihnen zu arbeiten.

Multiple Sklerose verändert alles. Die Krankheit kommt, und mit ihr gehen Sicherheit, Leichtigkeit, Unbeschwertheit dahin. Erstmal. All das sieht man plötzlich schwinden. Plötzlich besteht das Leben aus Arztbesuchen, aus Bangen, aus eingebildeten und echten Symptomen. Aus Unverständnis das von einem selbst und von anderen ausgeht.

Das Leben mit MS kann eine Herausforderung sein. Erstmal.

Ich selbst habe viele Jahre gebraucht, um von der großen Angst, die die MS in mein Leben gepflanzt hatte wie einen toxischen Samen, wieder in meine Dankbarkeit zu finden. Mein Leben hat sich verändert – zum guten! Ich habe lernen müssen, und heute sage ich ganz selbstbewusst: Ich DURFTE lernen. Dank meiner MS. 

Dass das nicht in der ersten Woche nach deiner MS Diagnose passiert, ist nur verständlich. Ich selbst habe erst im letzten Jahr, ja, seit etwa Anfang 2019 so richtig in meine Dankbarkeit gefunden. Und ich fliege auch immer noch regelmäßig raus, denn meine Dankbarkeit ist wie ein Michelinstern: Ich muss sie immer wieder verdienen. Ich muss mich immer wieder um sie bemühen.

MS und Single
Pc via Pexels.com

Wenn du meinem Blog schon eine Weile folgst, dann weißt du, dass ich keine große Freundin vom Kämpfen bin. „I fight MS“, „MS Fighter“, „Mein Kampf gegen die MS“ – sorry, aber: Bla Bla Bla. Solange du gegen deine MS kämpfst, wirst du verlieren. Nicht sofort, denn es kann dir natürlich kurzfristig das Gefühl geben, in der Oberhand zu sein. Es kann dir kurz ein trügerisches Gefühl von Sicherheit geben, oder auch von „Ich zeig’s dir jetzt mal so richtig, du doofe MS“. Nur leider hast du da einen Denkfehler, nämlich den, dass dein Körper und du als denkende, handelnde Person voneinander getrennt existiert. Und das ist ganz schön creepy, mit Verlaub.

Ich sage es oft und ich sage es immer wieder: Deine MS steckt IN DIR DRIN (was nicht heißt, dass du deine MS bist!). Du kannst nicht gegen sie gewinnen. Du musst gar nicht gegen sie gewinnen. Wenn du deiner MS eins auswischt, weil du zum Beispiel trotzdem weiterhin rauchst oder weil du dich entgegen aller Warnungen immer und immer wieder verausgabst, um es anderen recht zu machen, und denkst deiner MS damit ein Schnippchen zu schlagen, dann verpasst du eine ganz große Chance:

Die Chance, in Dankbarkeit zu leben.

Die Chance auf Fülle, auf Ausgeglichenheit. Die Chance auf einen Weg aus der Angst. Nur das, was du kennst und annimmst, kann dir keine Angst mehr machen. Du nimmst deiner MS selbst die mentale Bedrohung (und wenn du deine toxischen Verhaltensweisen änderst dann auch stückweit die reale Bedrohung), wenn du sie akzeptierst.

Du tust dir selbst den größten Gefallen in deinem Leben mit MS, den du dir nur tun kannst, wenn du sie annimmst.

Auch ich habe schlechte Tage. Ich habe einen leichten MS Verlauf und bin mittlerweile und dank meiner Therapie und vieler, vieler Verhaltensänderungen in Remission. Keine neuen Läsionen. Keine neuen Symptome. Aber die alten Symptome sind natürlich nicht weg, zumindest nicht immer. Es gibt so etwa 2-3 Tage die Woche, an denen ich nur mit einem halben Körper aufwache. Mein linkes Bein ist taub, meine linke Hand tut nicht was sie soll. Ich merke, dass ich an diesen Tagen nicht so gut arbeiten kann, dass mir die Konzentration fehlt. Ich ärgere mich über die Fehler, die meine linke Hand beim tippen am Laptop macht. 

Dankbarkeit mit MS
Pic via pexels.com by bruce mars

Ich habe gelernt, zu akzeptieren, dass es diese Tage gibt.

Ich kämpfe nicht gegen sie an, dann müsste ich da doppelt so viel Energie aufbringen. Das macht ja nun wirklich keinen Sinn. Was tue ich an diesen Tagen, an denen es mir schlecht geht?

– Ich minimiere meine Arbeit auf mein Minimum und schiebe Aufgaben auf den nächsten Tag

– Morgen wird es wieder besser! Diesen Satz wiederhole ich immer wieder

– Ich versuche einen Mittagsschlaf zu machen

– Verabredungen werden verschoben oder abgesagt

– Ich tue etwas, das mit gut tut. Eine Massage, ein Spaziergang, kuscheln, essen

– Keine Panik! Ich erinnere mich daran, dass das keine neuen, sondern nur alte aufflackernde Symptome sind

– Ich meditiere und mache Atemübungen oder sanftes Yoga/Dehnungen

– Manchmal überlege ich, was gestern vorgefallen ist, oder was mich gerade beschäftigt, um besser zu verstehen warum es mir heute so geht

Diese Überlegungen sollten allerdings nicht in eine dauernde Grübelei enden. Es macht aber eben Sinn, ein Auge darauf zu haben und achtsam zu beobachten.

Und dann gibt es diese Tage, die sind voller Licht

Die Tage, an denen ich morgens aus dem Bett springe und einfach gar nichts spüre, was irgendwie falsch ist. Ich habe keine Schmerzen. Ich habe keine Verspannungen. Ich habe keine Taubheitsgefühle. 

Ich bin unendlich dankbar, dass diese Tage mir ab und an passieren. An diesen Tagen glühe ich innerlich. An diesen Tagen kann ich voller Power arbeiten, geben, zuhören, aufräumen, anpacken, kreativ sein, lachen, ausgehen.

An diesen Tagen lebe ich so doll, dass ich fast platze vor Glück.

samira Mousa

Einen solchen Tag habe ich etwa drei- oder viermal im Monat momentan. Also einen Tag, an dem ich von meiner MS null Komma null spüre.

Was, das überrascht dich jetzt? Weil es immer so aussieht als ginge ich auf Wolken? Weil ich so ein positiver Mensch bin? Ist okay, verstehe ich. Gerade bin ich selbst ein bisschen überrascht, wie ich das so schwarz auf weiß sehe, um ehrlich zu sein. Aber es entspricht der Wahrheit.

An den anderen Tagen bewege ich mich irgendwo zwischen ganz leichten Symptomen und nur ganz kurz aufflackernden Symptomen. An manchen Tagen begleiten mich Sorgen und seelisches Ungleichgewicht. Japp. So siehts aus. Selbstständigkeit lässt grüßen

Warum schaffe ich es dennoch, in Dankbarkeit zu leben?

Weil ich weiß, dass es sie gibt, die guten Tage. Und weil ich weiß dass ein Tag, der nicht von Anfang bis Ende eitel Sonnenschein ist, dennoch wunderschön sein kann. Weil ich weiß, dass ich an den schlechten Tagen das durchmache, aus dem ich an den guten Tagen lerne. Die schlechten Tage bedingen die guten. Die schlechten Tage werden weniger werden, je mehr ich sie annehme. Die guten Tage werden mehr, wenn ich lerne, in den schlechten Tagen das Gute zu sehen.

Und so lebe ich vielleicht nicht jeden Tag in einem gesunden Körper, der vor Energie strotzt und mir keine Schmerzen beschwert. Auch meine Seele hat viel Schmerz erfahren und den langen Weg, diese zu heilen, habe ich gerade erst angetreten. Aber ich weiß, dass die MS auch meine Lehrerin ist. Sie ist der Grund, warum ich gelernt habe, auf mich zu hören. Sie hat mich aufgeweckt, so müde sie mich auch manchmal macht.

Und so schätze ich die guten Tage einfach ein bisschen mehr und hasse die schlechten Tage einfach ein bisschen weniger. Weil ich selbst die Realität schaffe, in der ich lebe. Und ich möchte in tiefer Dankbarkeit leben. Du auch?

***
Hast du schon einen eigenen Umgang mit den guten und den schlechten Tagen im Rahmen deiner MS gefunden? Lebst du in Dankbarkeit oder hast du dich noch nicht auf den Weg gemacht? Was hält dich auf? Lass uns drüber sprechen, hinterlass ein Kommentar!

Mindful mit MS
Yoga mit MS

7 comments

  1. Du hast so super geschrieben und auch beschrieben, wie der Alltag aussehen kann mit ms.
    Ich hasse die Tage, wo ich aufstehen und mir dann denke…oh man das kann ja heute heiter werden mit dir (ms) und mit mir 😁!
    Aber ich weiss, dass auch wieder schöne Momente/Tage/Std gibt, wo man einfach alles loslassen kann.
    LG jenni

  2. So super geschrieben, danke dir. 😊
    Ich habe auch erst letztes Jahr (das 6.Jahr nach der Diagnose) aufgehört dagegen anzukämpfen. Ich habe meine MS angenommen und angefangen, die guten Tage zu nutzen. Seit dem geht es mir viel besser. Ich bin entspannter und glücklicher geworden.😊
    Manchmal stelle ich mir vor, die MS ist wie eine blöde Nachbarin. Manchmal gibt es Streit, doch die meiste Zeit kann man ganz gut nebeneinander wohnen. Man arrangiert sich 😅
    Liebe Grüße, Anja

  3. Liebe Samira,
    vielen Dank für diese tolle Erinnerung! Ich schreibe Erinnerung, da ich an den schlechten Tagen gerne mal vergesse, das es auch wieder gute Tage geben wird und gab! Meine Diagnose habe ich auch bereits seit über 4 Jahren, aber dieses Gedankenspiel: es wird wieder besser – konnte ich auch erst seit etwa einem Jahr verinnerlichen. Es hört sich ja eigentlich ziemlich einfach an. Genauso wie Tipps alà “Sei dankbar für die kleinen Dinge im Leben”. “Lebe den Moment”… usw. (mehr fällt mir gerade nicht ein 😉 )
    Diese Sachen kann man m.E. nicht umsetzen, solange man sie nicht verinnerlichen kann. Bei mir hat es letztes Jahr so einen “Klick-Moment” gegeben. Seit dem sind für mich 2 Denkweisen sehr wichtig geworden: 1. ALLES GEHT VORBEI! Schlechte Zeiten/Tage, genauso wie Gute Zeiten/Tage. Das ist der Lauf der Dinge, und nicht beschränkt auf uns Ärmste Chronisch Kranke Persönlichkeiten. Jeder (Mensch) hat mal nen schlechten Tag! Vermutlich haben wir aber halt einige mehr schlechte Tage als vermeintlich gesunde Personen. Für mich persönlich hat dieser Gedanke aber so viel gebracht, dass ich mir heute eingestehe, einen schlechten Tag zu haben. Bei Erkältung etc. lieber mal einen Tag länger von der Arbeit zu Hause bleiben. In unangenehmen Situationen hilft es auch, sich klar zu machen, das diese bald vorbei gehen wird! Auch ein vermasseltes, peinliches Vorstellungsgespräch, oder eine mündliche Abschlussprüfung: ist alles irgendwann zu Ende! Genauso wie der schöne Tag oder das schöne Wochenende. Und wenn man das weiß, kann man es vielleicht auch besser genießen… Schade sind Gedanken im Nachhinein: Ach – hätte ich dies oder jenes doch mehr genossen. Hätte ich mein Glück über diese oder Jene Situation doch mehr gezeigt. Hätte ich doch diesen Moment genutzt um jener Person meine Zuneigung zu zeigen. Besser ist: Gleich freuen! 🙂
    Dabei hilft mir Gedanke Nr. 2: STOPP! Auch das klingt einfacher als es ist. Die Übung ist ähnlich wie die während der Achtsamkeitsmeditation: Erstmal erkennen, das man sich in einem negativen stressbeladenen Gedankenkarussell befindet. Und dann: STOPP. Irgendwie muss es ja angehalten werden… Also sobald man negative Gedanken in einer Situation bemerkt, die da nicht hingehören, weil das Bauchgefühl noch immer auf Positiv eingestellt ist: STOPP! Und damit den Weg frei machen für mehr Glücksmomente 🙂
    Liebe Grüße, M.Ilona
    (während ich das schreibe, fällt mir auf: es kann sein das ich mich damit wiederhole und es schon einmal in einem Kommentar bei dir gepostet habe 😉 )
    PS: es gibt einen Dritten Gedanken, den man erst einmal kapieren muss bevor man ihn versteht: ES GIBT KEIN “NORMAL”! Vielleicht kommt man sich als kranker Mensch manchmal unnormal vor, weil wir von der Gesellschaft eingetrichtert bekommen, das man nur normal ist wenn man die volle Leistung und mehr darüber hinaus erbringt. Aber wo steht denn das eigentlich geschrieben? Wo steht denn, dass man Vollzeit arbeiten muss, auch wenn einem das Geld schon bei weniger Stunden ausreicht? Wo steht denn, das man 3 Kinder haben muss, obwohl einem das eigene Leben schon manchmal zu viel wird? Und wo steht denn, das man mit MS keine Kinder haben sollte, weil einem das dann alles zu viel wird? Und man muss auch nicht auf jeder sprichwörtlichen Hochzeit tanzen… dafür gibts ja sogar dann doch ein Sprichwort. Deshalb sind Vergleiche mit anderen, gesunden Menschen unnötig! Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wir sind nicht schlechter als die anderen Menschen ohne MS. Wir sind aber auch nicht besser, im Ganzen gesehen nichts Besonderes. Und das, obwohl jeder für sich genommen etwas Besonderes ist. 🙂

    1. Liebe Ilona, das hast du wunderschön geschrieben und ich könnte dir nicht mehr zustimmen. Danke dafür! und alles gute.

  4. Hy Samira
    Bin ganz neu hier ,um einiges vom Leben mit MS aus anderem Mund zu erfahren
    Habe die MS seit 25 Jahren in meinem Leben schon
    Bin verheiratet ,habe 2 tolle Mädels und so einiges an Getier haben wir auch
    Pferd ,Hund ,Katze,Ziege treue Begleiter halt
    Habe mich vor 2Jahren erstmals für eine Medikamentöse Begleitung entschieden
    Dachte immer das kriegst du schon so hin ohne Medikamente
    Hab jedoch auch nichts in anderen Dingen unternommen wie Sport ,Ernährung ,Bewegung überhaupt
    Aber jetzt fange ich damit an schon längere Zeit
    Würde genau dafür gerne ein paar Tips und Ideen von dir bekommen
    Vor allem gute Stimmung zu finden und zu entdecken wäre schön
    Bin vor vielen Jaren in der Energieheilung tätig gewesen,aber dort ging es darum anderen Menschen zu helfen

    1. Hallo Birte, schön dass du nun auch ein paar weitere Änderungen in deinem Leben umsetzen möchtest. Das ist eine wunderbare Idee!
      Du findest auf meinen Blog ganz ganz viele Tipps zu all diesen Themen, hör auch mal in meine Podcasts rein!
      Alles Gute dir
      Samira

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