Blasenprobleme und Katheter bei MS: Klartext-Interview mit Britta von yoga-ms.de

*Werbung – dieser Artikel zum Thema “Katheter bei MS” entstand in Zusammenarbeit mit Coloplast.de *

Ich erinnere mich noch genau, wie sehr Britta mich begeisterte, als ich sie vor ein paar Jahren auf einem Event das erste Mal traf. Eine Frau mit einer so starken, in sich ruhenden Ausstrahlung – und dann erfuhr ich auch noch, dass sie Yogalehrerin ist! Ich war quasi schockverliebt.

In unserer Unterhaltung kamen wir irgendwann auf das Thema Hilfsmittel und Britta erzählte mir ganz offen und sogar mit Begeisterung, dass sie Katheter bei MS benutzt, um sich selbst zu katheterisieren. Ich finde es immer toll, wenn Menschen offen über Dinge sprechen, die auch anderen Mut machen können – und somit war meine Neugier geweckt: Wie genau beeinflussten die Katheter ihren Alltag mit der MS? Was waren ihre Herausforderungen und in welchen Situationen ist sie besonders froh, diese Möglichkeit zu haben?

Etwa 70% aller Menschen mit MS haben im Rahmen ihrer Erkrankung irgendwann mal mit Blasenproblemen zu tun. Das können regelmäßige Blasenentzündungen, ständiger Harndrang oder auch Inkontinenz sein.

Gemeinsam mit Britta und Coloplast möchte ich in diesem Artikel Scheu nehmen, aufklären und Mut machen!

Samira: Hallo Britta, magst Du dich kurz meinen Leser*innen vorstellen?

Britta: Sehr gerne! Ich heiße Britta Uhing, bin 57 Jahre alt und arbeite als Yoga-Lehrerin. Die MS habe ich schon über 30 Jahre.

Durch mehrere gemeinsame Projekte in der Vergangenheit weiß ich, dass Du Katheter bei MS nutzt. Wie lange nutzt Du schon Katheter?

So richtig seit ca. 4-5 Jahren, aber ich brauchte eine lange Eingewöhnungsphase.

Was hat dich damals dazu bewogen, den Schritt zu gehen und einen Katheter auszuprobieren? Hast Du vorher andere Therapieformen für Deine Blasenprobleme ausprobiert?

Vor mehr als 30 Jahren sagte mir mein damaliger Hausarzt, dass er erst meiner MS Glauben schenkt, wenn eine Inkontinenz diagnostiziert werden kann. Diesen Glauben habe ich mit ihm für etwa 20 Jahre geteilt und vor ca. 9 Jahren tauchte sie dann wirklich auf, die Inkontinenz. 

Mein Neurologe schickte mich in die Urologie der Maria-Hilf-Klinik in Mönchengladbach, wo man eine Blasenspieglung erstellte und mir recht schnell die Nutzung von Kathetern ans Herz legte.

Und hattest Du nach dieser Empfehlung Angst davor, einen Katheter bei MS zu verwenden? Was genau hat dich besorgt und haben die Ängste sich bewahrheitet?

Für mich ging das mit den Kathetern am Anfang gar nicht! 
Klar war ich neugierig, aber ich konnte mir nicht vorstellen, mir selbst einen Katheter zu legen. Unvorstellbar! Auf keinen Fall! Ich war ‘Yoga-Lehrerin’ und ich würde das schon alleine hinbekommen. Dachte ich…

Doch nach vielen ‘Unfällen’, nassen Höschen, Yoga-Stunden mit dieser Angst und Binden zwischen den Beinen, habe ich mich von einer MS-Freundin dazu überreden lassen, dem Katheter bei MS eine 2. Chance zu geben.

Sie selbst erzählte mir, dass sie es gut hinbekam und das überzeugte mich. Ich wollte mein altes Leben zurückhaben und auch mal wieder eine Nacht durchschlafen.

Wie hast Du den Umgang mit dem Katheter gelernt, gab es Schwierigkeiten? 

Eine spezialisierte Krankenschwester besuchte mich privat und half mir mit dem Anlegen in meinem eigenen Badezimmer. 

Alleine die körperlichen Verrenkungen auf dem Klo, mit dem kleinen Spiegel auf der Klobrille, waren eine Herausforderung. Ich brauchte den Spiegel auch bestimmt ein viertel Jahr, bis ich in der Lange war blind meine Harnröhre zu finden und in der ersten Zeit bekam ich durch Unachtsamkeit und Unsicherheit zwei Harnwegsinfektionen, die mit Antibiotika behandelt werden mussten.

Britta macht anderen Mut und findet, wir sollten öfters über “Tabuthemen” sprechen

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Ich kann mir gut vorstellen, dass eine solche erste Einführung (pun intended 😉 ) mit einer Expertin wirklich wichtig ist, um das ganze richtig durchzuführen. Wie ist es dir danach gegangen, inwiefern hat die Nutzung des Katheters deinen Alltag mit MS verbessert?

Katheter zu nutzen hat mir mein Leben zurückgegeben. 

Wenn man mit einer ständigen Angst lebt in die Hose zu pinkeln, nachts nicht schlafen kann, weil man ständig das Gefühlt hat, auf die Toilette zu müssen und man kann die Blase einfach nicht leeren – das macht wirklich keinen Spaß. Bei unseren Hunderunden freute sich meine Hündin immer mit mir zusammen ins Gebüsch zu gehen und meine Freunde nannten mich Madame Pee, weil ich ständig auf der Toilette saß. 

Eine bleibende Erinnerung ist, wie ich Nachts auf einer wilden Party in einem ‘Abbruchpuff’ 😀 vor der einzigen Toilette stand und mir ein warmes ‘Gefühl’ die Beine entlang floss… das war dann auch der endgültige Zeitpunkt, um meine Ablehnung von der Nutzung eines Katheters bei MS über Bord zu werfen. 

Heute schaffe ich es, wo auch immer ich bin und für mich ganz natürlich, meine Blase mit dem Katheter komplett zu leeren ohne eine Blasenentzündung zu riskieren oder mich selbst zu verletzen.

Es freut mich so sehr das zu hören Britta. Deswegen sage ich ja auch immer: Hilfsmittel heißen so, weil sie HELFEN! Dennoch ist die Verwendung von Hilfsmitteln immer noch mit Vorurteilen behaftet. Warum kommen wir nur langsam von der Vorstellung weg, dass die Verwendung eines Hilfsmittels ein Rückschritt ist? Wie können wir dazu einen Beitrag leisten, dass sich das ändert – auch innerhalb der MS Community?

Erst einmal erfüllt uns dieses Thema mit Scham. Wir reden nicht darüber und schämen uns Hilfe anzunehmen. Gottseidank hat mein Mann mit diesem Thema keine Berührungsängste und geht ganz selbstverständlich damit um. Trotzdem fiel es auch mir schwer, Schwäche zu zeigen. Wir haben Angst, unsere Würde zu verlieren.
Und dann kommt für mich noch hinzu, dass es mir schwer fällt eine Abhängigkeit einzugehen. Natürlich sind wir mit unseren chronischen Erkrankungen in vielen Fällen von irgendetwas abhängig.

Ja, ich kann sagen, dass es meine größte Horrorvorstellung ist, keine Katheter mehr zu haben in irgendeiner Situation! Das wäre der Super-Gau!

Ein offener Umgang und mehr Aufklärung würden uns zusätzlich/auch helfen. Genau das, was wir hier machen, hilft anderen Betroffenen, die die gleichen Erfahrungen machen und nicht drüber reden können oder sich schämen Hilfe anzunehmen.
Und als Personen, die eine gewisse öffentliche Reichweite haben, sehe ich das auch als eine unserer Aufgaben.

Pic by Ivan Bertolazzi viapexels.com

Da bin ich ganz deiner Meinung! Umso mehr freue ich mich, dass Du mir dieses Interview gibst und wir gemeinsam aufklären können. 
Wie ist das bei dir, leidest du häufig unter Harnwegsinfekten?

Bis auf die beiden Male in meiner Erprobungszeit nicht, gottseidank!

Das freut mich sehr für dich. Ich selbst kann ein Lied davon singen… ich habe dazu sogar diesen und diesen Blogartikel geschrieben. 
Hat dein Arzt/deine Ärztin dich gut zum Thema Blasenprobleme und Katheter beraten?

Meine Erfahrung ist leider, dass die Ärzte das Thema sehr routiniert und schnell abhandeln und einfach nur sagen: Take it or leave it!

Doch es gibt sehr tolle Betreuer*innen aus der Pflege, die darauf spezialisiert sind, uns auf den Weg zu führen und denen bin ich sehr dankbar. (HIER kannst du dich mit den Berater*innen von Coloplast in Kontakt setzen!)

Und wie sieht es in deinem Umfeld aus – sprichst Du das Thema offen bei deiner Familie und deinen Freunden an? Wie gehen sie damit um?

Seitdem ich mein Problem gelöst habe, rede ich sehr gerne darüber 😀 

Vielleicht aber auch um Erfahrungen aus meinem Leben mit der MS zu teilen. Viele sehen mich und denken: die sieht ja gar nicht krank aus und übertreibt!

Dadurch bekomme ich manchmal das Gefühl, dass ich erst als krank angesehen werde, wenn ich im Rollstuhl sitze. Ich muss zugeben, dass ich die Leute gerne mit dem Katheter-Thema schocke und sie aus ihrer Verdrängung hole. Verdrängung? Vielleicht Ignoranz oder Unwissenheit?

Kannst Du eine ganz konkrete Situation schildern, in der Du froh warst, dass es Katheter bei MS gibt?

Vor jeder Yoga-Klasse, egal ob online oder live im Studio, bin ich froh einen Katheter bei MS nutzen zu können.

Hast Du noch weitere Tipps außer der Verwendung eines Katheters, um besser mit    Blasenproblemen zurechtzukommen?

Auf jeden Fall: Beckenboden-Entspannung!

Durch die Unsicherheiten beim Gehen, Stehen oder in der Balance, spannen wir ständig den Beckenboden an. Wir bekommen dann auch noch bei Inkontinenz Beckenbodenübungen ans Herz gelegt und letztendlich verschlimmern wir sie dadurch noch. 

Meine Erfahrungen, auch mit Verstopfungen, ist, dass es Entspannung braucht, um sie zu lösen. Dafür finden sich im Internet viele verschiedene Übungen, zum Beispiel hier

Katheter bei MS
Den Beckenboden zu entspannen kann bei Blasenproblemen unterstützen

Was wäre ein letzter Rat, den Du Menschen mitgeben möchtest, die Blasenprobleme im Rahmen ihrer MS Erkrankung erleben?

Habt keine Angst und vertraut eurem Körper und eurer Körperwahrnehmung. Und vor Allem: nehmt die Hilfe an. Es lohnt sich 😉

Noch eine Anekdote zum Nachdenken zum Schluss:

In der Physio-Praxis traf ich mal eine junge MS-Patientin, mit der ich mich auch über das Thema Inkontinenz unterhielt und sie empfahl mir eine Heilpraktikerin, die Akupunktur gab. Damit war sie sehr zufrieden. Ich fragte sie, warum sie keine Katheter nutzt und sie zeigte mir ihre beide Hände, die unter einem Tremor litten. ‘Das funktioniert leider für mich nicht…’ sagte sie schulterzuckend. Ich war danach richtig betroffen und denke heute noch an sie. 
Wir stellen uns immer vor, dass es nicht schlimmer werden kann, aber es geht immer noch schlimmer!

Vielleicht ist das auch ein Aspekt: Dankbarkeit zu empfinden, überhaupt in der Lage zu sein einen Katheter bei MS zu nutzen.

***

Nutzt du Katheter oder hast du auch Blasenprobleme? Wenn du magst, kannst du andern Menschen Mut machen und deine Geschichte in der Kommentarspalte teilen.

Danke an Britta an dieser Stelle für ihre Offenheit und ihre Unterstützung! Headerbild bei Nubia Navarro via pexels.com

3 comments

  1. Hallo, ich bin seit 15 Jahren mit MS unterwegs. Unter Inkontinenzproblemen litt ich die letzten 5 Jahre. Ich habe mich sehr vom Leben zurückgezogen und habe nur noch Dinge unternommen, bei denen ich wusste, dass eine Toilette verfügbar ist. Ich kannte sie Alle. Eines Tages habe ich mich unter größter Scham und Verzweiflung meinem Hausarzt offenbart. Ich war am Ende. Er hat mir sofort von den Kathetern berichtet und eine spezielle Schwester bestellt. Seitdem benutze ich diese Katheter täglich und habe damit mehr Freiheiten und meine Würde zurückerhalten. Ich kann allen Betroffenen nur Mut machen sich zu offenbaren. Es lohnt sich!

    1. Liebe Tilly, ich danke dir für dieses offene und Mutmachende Kommentar! Danke und alles Gute dir,
      Samira

  2. Hallo,
    ich heiße Stefan und habe seit gut 20 Jahren MS. Seit eines Harnverhaltes in 2007, während dem ich fast 3 Tage nicht pinkeln konnte und sich der Urin beinahe bis in die Nieren zurückgestaut hat (Lebensgefahr! War mir damals nicht bewusst.), weiß ich Katheder sehr zu schätzen. Manchmal (speziell nach Ruhephasen) dauert es bis zu 15min. bis ich pinkeln kann. Dies kann -speziell nachts- zur Tortour werden und den Schlaf komplett ruinieren. So betrachte ich die Katheder mittlerweile als Luxus, der mir Lebensqualität verschafft. Eine penible Desinfektionsroutine ist jedoch Pflicht. Anfangs habe ich diese vernachlässigt und mit mehreren Harnwegsinfekten habe ich diese Vernachlässigung bitter bereut.
    Schöne Grüße,
    Stefan

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